“Sag mal, wie viel arbeitest du eigentlich?”

Als ich eigentlich gerade zu Bett gehen wollte, mich aber statt dessen diesen Artikel tippend am Schreibtisch wiederfinde, muss ich an die Frage meiner Studienfreundin Ute denken, die ich seit längerer Zeit kürzlich wiedergetroffen habe. Als ich ihr von meiner Selbstständigkeit und den gefühlten 1.000 Projekten erzählte, fragte sie mich:

“Sag mal wie viel Stunden arbeitest du eigentlich?”.

Ich überlegte einen Moment.

“Naja, es ist schwer zu sagen, was nun Arbeit ist und was nicht”.

Sie erwiderte, dass sie neben mir nur eine Person kennen würde, der es genauso geht – also bei der Arbeit und Freizeit so nah verbunden sind, dass sie sich nur schwer trennen lassen. Und dass es eine tolle Sache ist, also meine Selbstständigkeit.

Zu viel oder zu wenig?

Irgendwie lässt mich diese kurze Unterhaltung nicht los. Ich habe eigentlich immer das Gefühl zu wenig zu machen. Als Selbstständige gibt es eben keinen Betriebsschluss, keinen richtigen Feierabend. Wenn ich dagegen meinen Freund fragen würde, dann würde er sagen, ich arbeite zu viel. Zum Beispiel jetzt, wo ich wieder mitten der Nacht am Schreibtisch arbeite, wo doch eigentlich Schlafenszeit ist.

Die Sache mit der Arbeitszeit verfolgt mich seit ich mich vor ein paar Monaten selbstständig gemacht habe. Früher war die Arbeit vorbei, als ich die Bürotür ins Schloss fallen ließ.

Als ich dann Angestellte und gleichzeitig selbstständig war, begann sie dagegen um 9 mit der Büroarbeitszeit und endete um 1 Uhr nachts, nachdem ich an die normale Arbeitszeit nochmal sechs Stunden freiberufliche Arbeit dran gehängt hatte. Ein Zustand, der auf Dauer nicht gut gehen kann – und auch eine der Gründe, warum ich mich schließlich für die Vollzeitselbstständigkeit entschieden habe.

Wann hat man GENUG gearbeitet? Click To Tweet

Mit dem gewonnenen Freiraum kamen die Zweifel. Habe ich heute genug geschafft, um Feierabend zu machen? Kann ich das Schreiben eines Blogposts, der nicht direkt zu meinem Lebensunterhalt beiträgt, überhaupt als Arbeit bezeichnen? Was ist an den Tagen, wo man einfach nichts gebacken zu bekommen scheint? Denn statt wie früher den Arbeitstag an der Bürotür abzulegen, bin ich heute ganz alleine für mich selbst verantwortlich. Und dann wären da noch die ganzen fiesen Ablenkungsmanöver namens Facebook, Twitter und Co, mit denen man sich mal wieder viel zu lange aufgehalten hat. Auf der anderen Seite: Wie oft hat man sich mal wieder mit den Kollegen in der Küche verquatscht und ist dann ohne schlechtes Gewissen zurück an seinen Schreibtisch getrabt.

Stechuhr für Selbstständige

Schließlich fand ich einen Ausweg aus meiner internen Misere. Ich begann für mich selbst nach Stoppuhr zu arbeiten, die ich konsequent anhielt, wenn ich mir etwas zu Essen machte oder den neuen Weekly Vlog von Consider Cologne gucken musste.

Die Quintessenz: Ich wusste nach jedem Tag, wie viele Stunden ich wirklich produktiv gearbeitet hatte, und das schlechte Gewissen nicht genug getan zu haben verschwand allmählich. Und wenn es da war, dann war es auch berechtigt.

Das richtige Maß

Heute brauche ich die Stoppuhr nicht mehr, weil ich weiß, was ich täglich leiste. Ich weiß auch, dass es Tage gibt, an denen einfach nichts so richtig gelingt und man auch nach Stunden noch über dem leeren Blatt sitzt.

Beziehungsweise sitzen würde.

Denn das ist doch genau der Vorteil an der Selbstständigkeit. Dass wir eben nicht unsere Zeit am Schreibtisch absitzen müssen, sondern jederzeit gehen können, wenn wir mal auf der Stelle treten. Und um das Minus an Arbeitszeit muss man sich auch keine Gedanken machen. Schließlich gibt es auch Tage wie heute, wo man noch weit bis Mitternacht in die Tasten haut und die Worte nur so heraussprudeln und man einfach nicht aufhören kann – ganz nach dem Motto:

Wähle einen Beruf den Du liebst und Du brauchst keinen Tag in Deinem Leben mehr zu arbeiten. Click To Tweet

(Konfuzius)

Und, wie viel arbeitest du? Diskutiere mit uns in den Kommentaren!

14 Discussions on
““Sag mal, wie viel arbeitest du eigentlich?””
  • Liebe Jana, du sprichst mir aus der Seele: Wo genau zieht man die Grenze? Aktuell bin ich da, wo du wohl vor einigen Monaten, eben vor dem Beginn deiner Vollselbstständigkeit warst: Man hat einen 9-17 Job, dann kommt man heim und schreibt für seine freiberufliche Tätigkeit um dann noch irgendwo ein anderes Projekt reinzuschieben und nebenher studiert man noch. Klar macht das Spaß. Klar lohnt sich das. Aber es ist eben auch anstrengend und kein Dauerzustand. Ich persönlich finde es sehr schwierig, Prioritäten zu setzen. Immerhin gibt es viele, die berechtigt sind: Geld verdienen mit dem einen Job um die Miete zu zahlen, das was einem wirklich am Herzen liegt irgendwo hineinquetschen. Um das jedoch auf ein relevantes Level zu bringen bedarf es Zeit – und die hat man kaum. Ein kleiner Teufelskreis. Das mit deiner Stechuhr werde ich wohl mal ausprobieren. Was ich nämlich mindestens genauso schwierig finde: Alles irgendwie unter einen Hut bringen und schauen, dass jedes Projekt seinen (auch zeitlichen) Platz findet. Danke!

    • Liebe Stella, ich weiß genau wie du dich fühlst. Ich hab das ungefähr ein halbes Jahr durchgehalten – dann war glücklicherweise Schluss. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ausgehalten hätte. Ja probier das mal aus mit der Stechuhr, es ist auch eine gute Möglichkeit herauszufinden wie viel Zeit einzelne Projekte tatsächlich schlucken. Liebe Grüße, Jana

  • Ohh, ich kenne dieses Gefühl nur zu gut. Ich arbeite neben dem Studium als Texterin und weiß dann auch nie genau, wie viel ich täglich eigentlich noch arbeiten sollte. Da ich meine Stunden immer aufschreibe, muss ich die Zeit auch stoppen. So bekommt man ein besseres Gefühl dafür 🙂
    Und ich finde dein Fazit treffend – man kann nicht jeden Tag Wunder vollbringen, manchmal läuft’s besser, manchmal schlechter. Aber manchmal ist es schon schwer, sich zu motivieren 🙂

    Liebe Grüße
    Petra

    • Beim Texten finde ich es auch immer wichtig zu wissen, wie lange man braucht, alleine schon um ein Gefühl für einen guten Preis zu bekommen, den man für die Dienstleistung nimmt. Denn die Zeit geht manchmal schneller rum als man denkt, und dann ist ein Projekt plötzlich nicht mehr so lukrativ. Motivationsprobleme kenne ich eigentlich nicht, seit ich selbstständig bin – dafür liebe ich meine Projekte zu sehr 😉

  • Liebe Jana,

    genau DAS Thema was mich im Alltag oft beschäftigt. Als selbstständige Kommunikationstrainerin & Familiencoach teile ich mir meine Zeit/Termine selber ein. Da gibt es Tage die sind voll (von vorne bis hinten) und andere Tage die sind weniger voll. Neben den Kontakt zu Klienten bereite ich Seminare vor, schreibe an meinem Blog und anderen Artikel, vernetze mich mit Gleichgesinnten usw. Da zu entscheiden was Arbeit ist und was nicht, fällt mir schwer. Warum? Weil ich alles, was ich tue, von Herzen gerne tue. Die Rechtfertigung (manchmal) im außen – anderen zu erklären was ich arbeite und wie viel, dass kostet mich manchmal mehr Kraft. Warum? Weil sie im Angestelltenverhältnis arbeiten und meinen Alltag in manchen Punkten nicht nachvollziehen können. Das ist auch ok. Und deshalb habe ich beschlossen, anderen nur soviel zu erzählen wie sie auch verkraften;-) Von meinen abendlichen Schreibattacken und Vorbereitungen für den nächsten Tag wissen sie meistens nichts. 🙂

    Mit sonnigen Grüßen
    Jana

  • Das Problem mit dem Zeitgefühl und den “feierabendlichen Gedanken”, ob man wirklich genug gearbeitet hat, kenne ich auch.
    Ich habe immer wieder mal Time Tracking Tools ausprobiert, da ich als Webdesignerin zu 99% am Computer arbeite. Leider hat mir das aber auch nicht sooo gut geholfen, da ich 1.) immer vergesse, das Tool einzuschalten und 2.) dann auch zu pausieren, wenn ich nicht arbeite. Außerdem war mir der Aufwand zu groß, jedes Mal einen neuen Task anlegen zu müssen, dem ich dann eine Beschreibung (Webseite Kunde X bearbeitet, Photoshop blablabla, Fehlersuche Webseite Kunde Y usw.) zuweisen muss. Aber wenn ich das nicht mache, sehe ich am Ende des Tages ja nur, dass ich soundsoviel Stunden am Computer gehockt hab.
    Ich hab mir dann vor kurzem ein Tool installiert, das automatisch aufzeichnet, welche Programme (und auch Webseiten) ich wie lange benutze. Das ist auch super fürs Rechnungen schreiben, weil ich dann garantiert nix vergesse und so auch sicher sein kann, dass ich x Stunden für diese Aufgabe verrechnen kann. Das Tool zeigt auch an, ob ich zu viele Ablenkungen (zB durch Facebook etc.) hatte, das motiviert schon echt.

    Falls jemand von euch auch viel am Computer arbeitet und den Link zu diesem Tool haben möchte, kann ich ihn gerne noch posten.. bin mir halt nicht sicher, ob das erwünscht/erlaubt ist 😀

    • Liebe Kassandra, vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrungen! Gerne kannst du den Link zum Tool in die Kommentare posten. Das könnte ja für den einen oder anderen Leser ja auch interessant sein 🙂
      Viele Grüße, Christina

      • Supi, also das Tool heißt RescueTime: https://www.rescuetime.com
        Ich benutze nur die kostenlose Version, die reicht mir vollkommen aus.

        Schafft Ihr es eigentlich am Wochenende auch mal nicht zu arbeiten? Ich nehme es mir zwar immer vor, aber meistens mache ich dann doch was. Dann versuche ich aber, dass es wenigstens mein eigenes Projekt betrifft und ich die “Kunden” am Wochenende vor der Tür lasse, was aber auch nicht immer klappt, weil der Tag dann doch zu wenig Stunden hat 😉

  • Für mich war dieses Thema während der fünf Jahre, die ich selbstständig war, mit Abstand das größte Problem. Oft kamen dabei Fragen auf wie: Kann ich mein Handy auch mal ausschalten? Was ist, wenn mir dadurch lukrative Aufträge entgehen? Muss ich für meine Kunden immer erreichbar sein, erhalte ich schlechte Mundpropaganda, wenn ich am Wochenende nicht erreichbar bin? Selbst wenn ich nicht an Projekten am Wochenende arbeitete, gab es ja auch so schnöde Sachen wie Buchhaltung & Co., die man “nebenbei” noch zu erledigen hatte, immer hatte ich das Gefühl nicht genug zu machen und setzte mich dann doch wieder hin, um etwas abzuarbeiten oder ertappte mich dabei nachts doch wieder etwas vorzubereiten, weil ich grad im Flow war.
    Es ist bei mir der Hauptgrund gewesen (neben dem finanziellen Aspekt), warum ich mich bewusst wieder für ein Angestelltenverhältnis beworben habe. Ich bin von meiner Persönlichkeit so gestrickt, dass es mir unglaublich schwerfällt Grenzen zu setzen und bewusst Feierabend zu machen und Arbeit Arbeit sein lassen, wenn es mir nicht von außen vorgegeben wird. Sicherlich hat auch eine Rolle gespielt, dass ich die fünf Jahre kaum finanziell über die Runden kam, aber die Selbstständigkeit hat mich an den Rand eines Burnouts gebracht. Man muss es definitiv trainieren loszulassen und sich diszipliniert frei nehmen, sonst kann es böse enden, denn immer flüstert uns jemand zu, nein, es ist noch nicht genug. Dagegen heißt es anzugehen.

    Ich kann für mich sagen, dass ich als Angestellte definitiv besser zurechtkomme, auch wenn es natürlich andere Nachteile gibt. Nach fünf Jahren als Angestellte freue ich mich immer noch, wenn ich wieder meinen Kollegen einen schönen Feierabend wünschen kann. Endlich klar definiert, Arbeit vom Privatleben getrennt, jetzt heißt es abschalten! Für mich war es die Rettung.

    • Hallo Jenny, vielen Dank, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Ich kann dich absolut verstehen: mir geht es ganz genauso wie dir, dass ich einfach permanent das Gefühl habe, nicht genug zu arbeiten. Aber ich habe gerade in der letzten Zeit festgestellt, dass ich auch einfach viel schneller und produktiver bin, wenn ich mir auch mal – wie alle anderen auch – ein Wochenende frei nehme. Sonst sitze ich oft da und kann einfach keine guten Worte zu Papier bzw. Pixel 😉 bringen. Dein Kommentar hat mich wieder einmal wachgerüttelt, dass ich einfach irgendwann Feierabend machen muss und mir die Freiräume schaffen, die ich dringend brauche!!! LG Jana

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