“Nichtstun in Thailand ist für mich lukrativer als hier zu arbeiten!”

Am Küchentisch mir gegenüber sitzt Sayana, meine Couchsurfing-Gastgeberin in Irkutsk, Russland. Sie ist 28, Juristin und arbeitet seit einem Jahr bei ihrem jetzigen Arbeitgeber. Zuvor war sie selbstständig, hatte es aber auf Eis gelegt, um ein halbes Jahr zu reisen. Zurück in Russland fand sie mit ihrem Spezialgebiet, Immobilienrecht, relativ schnell einen Job bei einer Immobilienfirma. “Die Arbeit an sich ist eigentlich ganz in Ordnung, aber ich langweile mich, es ist alles immer dasselbe! Ich lerne nichts mehr dazu und habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Ich brauche dringend etwas Neues. Keine Ahnung, wie manche Leute tagein, tagaus und jahrein, jahraus dasselbe machen – und über dasselbe meckern, ohne etwas an ihrer Situation zu ändern. Ich will das anders machen.”

Einfach machen

Sie spezifizierte nicht, was genau sie anders machen will. Das alles sagte sie mir montags, als ich auf meiner Reise mit dem Transsibirienexpress in Irkutsk, dem Herzen Sibiriens, halt machte. Freitags, am Tag meiner Weiterreise erzählt sie mir freudig: “Weißt du was, ich hab’s gemacht!” “Was denn?” frage ich und blicke in ihr freudestrahlendes Gesicht. “Ich habe Tickets nach Bangkok gebucht – in einem Monat fliege ich nach Thailand! Ich werde erst mal dort überwintern, aber wahrscheinlich bleibe ich dauerhaft.” Was sie nun scheinbar so plötzlich und unüberlegt entschieden hat, hatte sich schon seit mehreren Wochen in ihrem Kopf festgesetzt:

“Durch die Krise habe ich schon seit 2 Monaten kein Gehalt mehr bekommen. Es ist für mich also günstiger, in Thailand nichts zu tun und das Leben zu genießen, als hier in der teuren sibirischen Großstadt zu sitzen und zu arbeiten. Ist das zu glauben?”

Was in Russland derzeit allgemeinhin als “die Krise” bezeichnet wird, meint die starke Abwertung des Rubel gegenüber dem Dollar und dem Euro. Diese “Krise” hat verschiedene Gründe, u.a. die westlichen Sanktionen oder den gefallenen Ölpreis. Noch vor einem Jahr kostete ein Dollar 30 Rubel, heute sind es schon 65. Dadurch sind alle Importe, die stets in Dollar bezahlt werden müssen, mehr als doppelt so teuer geworden. Und Russland importiert bis auf Öl und Gas fast alles – ob nun Lebensmittel aus China, Technik aus Japan oder Autos aus Korea.

Arbeiten oder leben?

“Darunter leiden viele russische Firmen, unter anderem meine. Ich gehe im Moment zwar zur Arbeit, aber ich bekomme mein Gehalt nur sehr unregelmäßig. Der Winter kommt jedoch unaufhaltsam! Das bedeutet weniger regionale Lebensmittel (was wächst schon bei -40 Grad?!), teure Winterkleidung, Transport, Heizung, und und und. Ich muss jetzt entscheiden, was ich mit meinen Ersparnissen tun will.”

“Deshalb werde ich nun meine Wohnung untervermieten, meinen Job hinschmeißen und mein Glück in Thailand versuchen. Warum soll ich hier einer tristen Arbeit nachgehen, frieren und bei all dem auch noch draufzahlen – wenn ich auch in Shorts durchs warme sonnige Asien reisen kann? Ich brauche keine Statussymbole, kein Auto, keinen Luxus. Ich will einfach leben. Ich will Neues sehen, Neues lernen und Neues erleben. Mein Erspartes reicht etwa für die ersten 1-2 Monate, danach werde ich schon etwas finden. Ich habe mich schon erkundigt, was ich mit meinen Qualifikationen über’s Internet machen kann. Heutzutage gibt es viele tolle Möglichkeiten, ortsungebunden zu arbeiten – und dabei glücklich zu werden. Ich werde es versuchen.”

Ich wünsche Sayana von Herzen alles Gute, viel Erfolg und vor allem viel Spaß beim Leben und Genießen!

Was meinst du?

Könntest du dir einen solchen Schritt vorstellen? Unter welchen Bedingungen?
Oder hast du so etwas ähnliches vielleicht sogar schon mal gemacht?

1 Discussion on ““Nichtstun in Thailand ist für mich lukrativer als hier zu arbeiten!””
  • Im Prinzip habe ich ja genau das gleiche gemacht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Raus aus dem Angestelltenverhältnis, das mich nicht glücklich gemacht hat, raus aus der alten Stadt, rein ins Abenteuer Südamerika und die Selbstständigkeit. Ich würde lügen wenn ich behaupten würde, dass ich diesen Schritt nie bereut hätte, aber ich würde ihn trotzdem immer wieder gehen. Manchmal finde ich muss man etwas wagen, auch wenn man dabei scheitern könnte. Und wenn man in seinem alten Job nicht mal regelmäßig bezahlt wird, kann ich Sayana nur verstehen!

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