Sie war jung und brauchte das Geld

Warum mein Chef mich eingestellt hat:

Neulich hatte ich eine interessante Unterhaltung mit meinem Chef. In einem Feedback-Gespräch über meine ersten Monate in der Firma kam er darauf zu sprechen, warum er mich überhaupt eingestellt hat, und nicht einen der über hundert anderen Bewerber.

Ich könnte hier alles aufzählen, was man bei einer Bewerbung beachten muss, aber das mache ich nicht. Heute geht es um etwas anderes.

Nehmen wir mal an, ich habe die Knigge befolgt. Habe das Anschreiben auf die jeweilige Firma zugeschnitten, habe verstanden was in der ausgeschriebenen Stelle gesucht wird, habe nach dem Prinzip „Sie suchen“ und „Ich biete“ meine Kompetenzen in leicht verdaulichen Häppchen geschildert. Und trotzdem:

Meine Bewerbung wurde vom „Vor-Sortierer“ aussortiert. Ich habe leider keine Rose für dich.

Denn meine Mitbewerber hatten viele Jahre Arbeitserfahrung, ich gerade mal anderthalb (und das auch nur, wenn man großzügig ist und alle, ja wirklich alle Praktika zusammen nimmt).

Glücklicherweise entschied sich der Chef dazu, sich trotzdem noch mal den „Vielleicht“-Stapel anzusehen. Dann entschied er sich, meine und noch ein paar andere Bewerbungen wieder ins Rennen zu nehmen.

Er sagte zu seinem Mitarbeiter: „Wir schreiben hier eine Stelle aus, die auf ein Jahr befristet ist. Wir müssen auch bedenken, dass niemand, der schon fest im Beruf verankert ist, für ein Jahr kündigt und sich in die Ungewissheit stürzt. Das wäre nicht fair.“

Er entschied sich deshalb dafür, einem jungen Menschen eine Chance zu geben. Die Überlegung war nobel und pragmatisch zugleich: man könnte die Stelle natürlich jemand geben, der schon viel Erfahrung hat, für den ein 1-Jahres-Vertrag allerdings ein Sprung in die Unsicherheit bedeutet. Diese Person wird wahrscheinlich mit der Zeit unzufrieden werden – das wäre weder für den Betreffenden, noch für uns gut.

“Wenn wir aber jemand einstellen, der zwar relativ unerfahrenen und jung ist, aber dafür hoch-motiviert und dynamisch, ist das eine Win-Win-Situation: wir geben der Person eine Chance, den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Für sie ist so kurz nach dem Studium schon ein 1-Jahres-Vertrag ein Hauptgewinn. Und ein glücklicher und motivierter Mensch liefert gute Arbeit. Ganz einfach.”

Das Prinzip sollten sich, finde ich, jeder Arbeitgeber mal zu Herzen nehmen. Erfahrung ist wichtig, ja. Aber eben nicht alles. Was viele nämlich vergessen ist, dass wir jungen Leute richtig was drauf haben.

Wir sind gut ausgebildet, neugierig, lernfähig und motiviert.

Man muss uns nur mal lassen.

 

2 Discussions on
“Sie war jung und brauchte das Geld”
  • Dieser Chef hat etwas sehr Wichtiges begriffen und vor allem: er wendet an, was er gelernt hat! Wer weiß,ob er diese oder eine sehr ähnliche Erfahrung vielleicht selbst einmal gemacht hat!
    Vielleicht gibt es ja Verlängerung, wer weiß?
    Viel Glück!
    Ulrike

    • Liebe Ulrike,
      ja, ich kann mich mit meinem Chef wirklich sehr glücklich schätzen!
      Vielen Dank dir und ein schönes Wochenende,
      Christina

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