Warum likest du nicht, was dir gefällt?

Sind wir Deutschen Internetstoffel?

Das frage ich mich zum ersten Mal, als mir mein italienischer Blogkollege Eduardo von seinem Foto erzählt, dass er bei Facebook gepostet hat. 500 Likes hat es für ein Bild von seinem Zelt in den Bäumen geregnet. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. 500 Likes für ein durchschnittliches Foto auf einer Fanpage mit 8.000 Fans. 500 Likes, und das nicht nur als positiver Ausrutscher.

Auch für Gabriele mit rund 10.000 Fans sind Likezahlen von 1.000 Likes keine Seltenheit. Ich beginne an mir zu zweifeln. Auf meinem Reiseblog würde das bei gut 2.600 Fans eine regelmäßige Anzahl Likes von an die 200 ergeben. So etwas hat noch nichtmal das super gehypte Bild aus den bolivianischen Anden erreicht. Aber auch bei meinen anderen deutschen Bloggerkollegen wäre – soweit ich das beurteilen kann – so etwas in der Regel undenkbar. Irgendwie war ich einfach immer davon ausgegangen, dass jeder Seitenbetreiber – egal aus welchem Land – seinen täglichen Kampf mit und gegen Facebook zu führen hat.

Eine Frage der Mentalität?

Eduardo meint dazu: „Italiener lieben alles, was gratis ist und Likes sind nunmal gratis“. Aber das kann es nicht sein. Wenn ich mich da an diverse Kongresse und Messen erinnere, auf denen Deutschen sich wie Bekloppte auf gratis Kugelschreiber stürzen, würde ich auch mal ganz stark von einer „natürlichen Vorliebe für Gratisdinge“ ausgehen. „Vielleicht liegt es vielmehr an der unterschiedlichen Mentalität“, beginne ich mich zu fragen. Die Italiener sind gemeinhin ja eher offene, nach außen gerichtete Menschen, die sich lautstark mitteilen. Dass sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, sieht man ja alleine am Fussball. Könnte es also sein, dass die Italiener ihre offene Art mit ins WWW nehmen und gerne offen zeigen, was Ihnen gefällt?

Sind die Deutschen Likemuffel? Click To Tweet

Wir Deutschen dagegen, sind im Allgemeinen eher kühl und zeigen unsere Gefühle eben meist nicht so gerne. Und scheinbar auch im Internet nicht. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Schwester über einen meiner Facebook Posts auf meiner Page. Sie erzählt mir, wie gut er ihr gefallen hat, geliket hat sie ihn aber nicht. Ist das vielleicht der Grund für die unterschiedlichen Facebookerfahrungen von meinen italienischen Kollegen und mir?

Die Facebook Falle

Jetzt ist es ja grundsätzlich nichts Schlimmes, wenn ein Post jemandem gefällt, er aber nicht den blauen Daumen drückt. Wichtig ist ja nur, dass er ihn gesehen hat und er ihn gut findet. Eigentlich. Wäre da nicht Facebook, das alle Seiten, mit denen man nicht aktiv interagiert (also liket, kommentiert oder teilt) aus dem eigenen Feed streicht. Und so haben wir beruflichen Seitenbetreiber damit zu kämpfen, dass selbst wichtige Updates nur einigen, wenigen unserer Fans angezeigt wird – es sei denn, und da freut sich Facebook natürlich sehr, man investiert ein bestimmtes Budget, damit Facebook alle Fans mit dem neuen Beitrag bespielt, wie es eigentlich von Natur aus schon sein sollte.

Versteh mich nicht falsch: Es geht hier nicht um das reine Zählen von Likes. Sondern darum, dass ich meinen Blog ja genau für jeden einzelnen meiner Leser und Follower und schreibe. Und das zu 90 Prozent unbezahlt und aus reiner Leidenschaft. Klar ist mein Blog auch eine Visitenkarte für meine beruflichen Tätigkeiten, aber wie sieht die wohl aus, wenn Leute, denen eigentlich gefällt, was ich mache, dies nichtmal kundtun?! Und sein wir mal ehrlich: jeder von uns freut sich über Feedback zu seiner Arbeit, um weiterhin motiviert ans Werk zu gehen und sich immer weiter verbessern zu können, oder?

Als ich meine Theorie meinen italienischen Bloggerfreunden erzähle, nicken sie verstehend. Warum sollte ihre Mentalität im Internet anders sein, als im echten Leben. Und auch mir fallen immer mehr Beispiele ein, die meine Theorie unterstützen.

Inzwischen hat Eduardos Bild mehr als 600 Likes gesammelt. Und ich kann nur an jeden Deutschen appelieren: Like doch einfach mal das, was dir gefällt! Click To Tweet

Es tut nicht weh und macht den Autor definitiv ein Stückchen glücklicher. Und auch ich habe mir vorgenommen, in Zukunft ein wenig großzügiger mit dem blauen Daumen umzugehen. Schließlich sollte guter Content auch die Aufmerksamkeit kriegen, die er verdient. Oder nicht?

Wie großzügig gehst du mit Likes um? Und hast du als Seitenbetreiber vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht?

9 Discussions on
“Warum likest du nicht, was dir gefällt?”
  • Ich like bei Facebook nur sehr selten irgendwas, denn jedes einzelne “Like” definiert mich im Sinne der Profilbildung immer spezifischer. Da niemand wissen kann, für was diese Profile von wem zu welchen Zwecken mal genutzt werden, hab ich einfach keine Lust, hier Datenzulieferin zu sein.

    Mein “Feed” ist trotzdem nicht leer – und wenn ich wissen will, was jemand so aktuell macht, besuche ich eben die Seite oder das Profil.

    Mit dieser Haltung stehe ich im Übrigen nicht alleine. Persönlicher Datenschutz lässt sich am besten umsetzen durch Datenvermeidung – vielleicht die einziger Form, die uns bleibt.

    • Auch ein interessanter Ansatz! Vielen Dank, dass du uns jetzt doch ein wenig Daten in Form deines Kommentars geschenkt hast! Liebe Grüße, Jana

    • Nun ja. Facebook weiß ja nicht nur, welche Posts du mit einem Like markierst, sondern auch, welche dich zum Klicken auf mehr lesen oder einen Link animieren und auf welchen Beiträgen du beim Scrollen länger verweilst und welche Seiten du gezielt aufrufst. Wenn Facebook also weiß, dass du ein Wenig-Liker bist, wird das Profil eben auf andere Art und Weise erstellt.

      Datenvermeidung geht anders. Ich glaube übrigens, dass die Angst, zu viel von sich preis zu geben, ein typisch deutsches Phänomen ist. Ich kenne deine Probleme genau, Jana. Und es stimmt einfach, dass Blogger in anderen Ländern nicht mit solchen Problemen kämpfen müssen. Tröstlich ist ja finde ich immerhin, dass Facebook in der Statistikauswertung eines Posts immerhin noch zeigt, wie viele Leute auf einen Link klicken und wie viele ihn sehen.

  • Ich war mir gar nicht bewusst, dass in anderen Ländern so anders mit Likes umgegangen wird. Insofern fand ich deinen Artikel sehr interessant.
    Ich like selbst auch ziemlich sparsam. Ich denke mir immer, dass wenn ich alles und jedes like mein Like an Wert und Bedeutung verliert. Vielleicht ist das eine komische Philosophie, aber so ergeht es mir.
    Andersrum wünschte ich mir auch, dass grosszügiger mit Likes umgegangen wird. Also Bloggerin kenne ich das Problem der wenigen Likes auch aus der anderen Perspektive nur zu gut.

    • Das fand ich auch sehr spannend – also das mit den anderen Ländern und anderen “Likesitten”. Ich bin früher auch viel sparsamer umgegangen mit Likes, aber seit ich als Blogger eh quasi ein offnes Buch in Sachen Daten im Internet bin und weiß, wie wichtig das Feedback vor allem für Blogger und Seitenbetreiber ist, hab ich mir angewöhnt großzügiger zu sein. Natürlich like ich trotzdem keinen Blödsinn, den ich nicht wirklich gut finde! Liebe Grüße, Jana

  • Ich denke das hängt auch damit zusammen, dass viele in meinem Alter, 18-25-Jährige, die mit Facebook sozusagen aufgewachsen sind, allgemein davon gelangweilt sind. Es wird weniger genutzt um zu interagieren, vielleicht noch um neue Fotos von Freunden zu sehen, die in der Welt verteilt sind, aber nicht so sehr um Kommentare oder Likes zu hinterlassen. Viele scrollen einfach schnell an der U-Bahn durch die neuesten Posts, aber das wars dann auch. Schade auch finde ich, dass es so wenige Kommentare gibt, unter einzelnen Blogposts, auch wenn es viele Leser gibt. Bin übrigens begeistert von eurem Internetauftritt! Kathy 🙂

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