“Erfolg wird ziemlich eindimensional dargestellt”
Geschafft… was heißt schon geschafft?
Mir gegenüber sitzt Salomé Weber, PR-Volontärin und Wahl-Koblenzerin. Ihr freundliches Lachen und der leckere Feierabend-Burger lassen den heutigen Arbeitstag in den Hintergrund rücken. Vor gut einem Jahr hat sie das Praktikantendasein hinter sich gelassen und ihren ersten richtigen Job begonnen. Ich fühle mich ihr in dieser Hinsicht sehr verbunden, und wir tauschen uns über unsere Erfahrungen mit dem Berufseinstieg aus.
Salomé hat Medienwissenschaften studiert, entgegen dem Rat ihres Studienberaters. “Machen Sie lieber was mit konkreten Jobaussichten, junge Dame. Jura oder BWL zum Beispiel.” Sie hat sich nicht verunsichern lassen und sich trotzdem an ihren Interessen orientiert. Es folgte eine Anstellung bei einer Lokalzeitung als freie Mitarbeiterin, ein Praktikum bei TV-Spielfilm. Letztlich war’s vorbei mit Generation Praktikum und da kam er: der erste Job. Jetzt ist sie seit einem guten Jahr PR-Volontärin. In ihrer Freizeit fotografiert sie alles, was ihr vor die Linse kommt und veröffentlicht ihre Reisefotos auf Framing Landscapes.
Doch nicht nur im Grad der Berufserfahrung und dem Hobby-Blogger-Dasein kann ich mich mit Salomé identifizieren. Sehr interessant finde ich auch ihre Äußerungen zum Thema Zufriedenheit im Job sowie den vermeintlichen Druck, sich “zu verwirklichen” und die eigenen Hobbies zum Beruf machen zu müssen.
Erfolg ist vielschichtiger als er dargestellt wird
“Wenn mich jemand fragen würde: ‘Salomé, was machst du eigentlich am liebsten?’ dann würde ich antworten: fotografieren. Ein Traum wäre es, mit meiner Kamera um die Welt zu ziehen, schöne Orte zu fotografieren und Reiseberichte zu schreiben. Klar gibt es viele Reiseblogger, die genau das tun. Doch wie realistisch und richtig ist das für mich persönlich? Das weiß ich nicht. Es gibt heute diesen Trend hin zu den Leuten, die einem sagen: ‘Seht her, ich habe es geschafft! Ich habe meinen Job hingeschmissen, reise um die Welt und arbeite ganz entspannt von unterwegs. Du kannst das auch machen, ich zeige dir wie!’ Das klingt ja schön und gut, aber für wie viele Leute ist das wirklich das Richtige? Ganz sicher nicht für alle. Für mich ist und bleibt der Reiseblog mein Hobby.”
Salomé und ich sind uns einig: wir bekommen stets vermittelt, dass wir alles erreichen können, was wir wollen. Gleichzeitig werden uns aber nur ganz eingeschränkte Bilder vorgelebt. Erfolg wird dabei sehr eindimensional dargestellt. Bevor man sich Gedanken darüber machen kann, was man eigentlich will, was für einen persönlich Erfolg bedeutet, kriegt man bereits schöne glänzende Vorlagen präsentiert: so geht Erfolg, und nicht anders. In diese Vorlagen soll man sich dann reinquetschen, ob man reinpasst oder nicht. Wenn man es dann nicht schafft, es eben ganz genauso zu machen wie das Idealbild, hat man das Gefühl, man hätte gleich ganz versagt.
Zufriedenheit ist nicht unbedingt das Gegenteil von Ehrgeiz
“Ich glaube, man muss sich einfach an einem gewissen Punkt mit dem zufrieden geben, was man erreicht hat. Und sich auf das freuen, was man noch erreichen wird. Wer sagt denn, dass es genauso aussehen muss, wie andere einem das weismachen wollen? Erfolg kann ganz unterschiedlich aussehen.”
Salomé sagt, sie müsse nicht hauptberuflich Reisebloggerin sein, um ihre Liebe zur Fotografie und dem Reisen auszuleben. Es ist eine Möglichkeit von vielen, das müsse man sich bewusst machen, wenn man den erfolgreichen Menschen im Internet zuschaut und zuhört.
“Man macht sich so viele Sorgen, meistens umsonst. Man lässt sich dazu hinreißen zu glauben, dass es nur den einen richtigen Weg gibt. Aber das stimmt nicht. Ich mag meinen Job sehr. Und ich bin total glücklich darüber, dass ich mich mit meinem kleinen Reiseblog auf der Arbeit so positionieren konnte, dass jetzt alle wissen: Salomé ist die Ansprechpartnerin, wenn es um Fotografie und Reisen geht. Als wir uns dazu entschlossen, mit unserer PR auch bei Instagram einzusteigen, war für ihn ganz klar, dass ich Teil des verantwortlichen Teams sein sollte – obwohl ich eigentlich erst so “wenig” Berufserfahrung habe.”
Salomé hat also einen Job, der ihr Spaß macht. In dem sie viel Neues lernt. In dem sie Verantwortung übernehmen darf. In dem sie sogar ihr Hobby einfließen lassen kann. In dem der Chef den Casual Bandshirt-Friday eingeführt hat. Ich weiß ja nicht wie’s euch geht, aber ich kann mir ehrlich gesagt nichts Besseres vorstellen.
Passend zu dem Thema ein spannender Artikel von Earthcity über die Schattenseiten des digitalen Nomadentums, über die fast keiner spricht: http://www.earthcity.de/digitale-nomaden-dunkle-seite/
Meine Meinung zum Arbeiten von unterwegs habe ich ja schon in dem passenden Artikel kundgetan. Fakt ist: es ist nicht alles Gold was glänzt. Das wichtigste ist, dass man mit seinem Leben zufrieden ist. Es gibt nicht DEN EINEN WEG, es gibt nicht DAS EINE GEILE LEBEN, nicht nur Schwarz und Weiß sondern ganz viele Grautöne. Und eins kann ich mit Gewissheit sagen: Ich glaube es gibt kaum einen Selbstständigen, der sich nicht heimlich manchmal die Sicherheiten eines normalen Jobs zurückwünscht!
Das sowieso nicht 🙂
Das ist ein wirklich heikles Thema. Gerade als Blogger ist man ja unheimlich viel im Netz unterwegs und ständig halten einem die Leute ihr schönes, perfekt ausgeleuchtetes Leben hin. Man fragt sich schnell: Warum schafft die das und ich nicht?
Allerdings: die Dunkelziffer derjenigen, die es versucht, aber eben nicht geschafft haben (z.B. das Hobby zum Beruf zu machen), ist sicher hoch.
Meine Küche ist nie so perfekt aufgeräumt, wie die Instagram-Bilder vermuten lassen (ich schiebe die dreckigen Teller für das schöne Quittenfoto eben schnell zur Seite) und wenn ich vor Jobfrust mal nen Abend heulend auf der Couch liege, poste ich das auch nicht bei Facebook. Ich finde das ok. Man darf sich im Netz ruhig von der besten Seite präsentieren, sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass der Rest eben auch nichts anderes tut.
Ja das stimmt. Umso wichtiger finde ich, dass man sich das immer wieder bewusst macht 🙂