Neu.
Eine gute Woche ist mein Neuanfang in Brüssel jetzt alt. Und ich liebe jeden einzelnen Tag davon.
Ich befinde mich zwar immer noch in einer Übergangsphase – denn ich wohne momentan noch bei einem Freund und warte darauf, dass meine wunderschöne Wohnung frei wird, und mein Hab und Gut irgendwann von Deutschland hierher transportiert wird. Aber was tut das schon, aus dem Koffer zu leben, wenn alles andere passt? Wenn der neue Job toll ist, die Kollegen noch toller, und man sich morgens darauf freut aufzustehen und abends mit einem erschöpften, aber zufriedenen Lächeln ins Bett legt?
Mein altes Leben habe ich – zumindest die unschönen Teile davon – hinter mir gelassen; habe es abgestreift, wie eine kalte, nasse Jacke. In meinem mentalen Köfferchen habe ich nun nur noch die Menschen und Erinnerungen, die ich bei mir haben möchte.
Jeder einzelne Aspekt meines Lebens richtet sich gerade neu aus. Und dieses Wort, NEU, es ist wie eine schöne Farbe, die alles in ein warmes Licht taucht. Ich wache morgens in einer neuen Umgebung auf, esse neues Frühstücksmüsli, spaziere meinen neuen Weg zur neuen Arbeit entlang und schnuppere neue Luft. Alles ist spannend, faszinierend, schön – einfach, weil es neu ist.
Alles glänzt so schön neu
Ich setze mich an meinen neuen Schreibtisch in meinem neuen Büro und plaudere mit neuen, tollen Kollegen. Ich arbeite mich in meine neuen Aufgaben ein, die so interessant sind, wie ich es mir nur hätte erträumen können.
Ich gehe abends mit meinen neuen Kollegen auf ein Feierabendbier aus, das den Abend wie immer viel zu spät werden lässt – denn aus einem werden ruck zuck fünf – und freue mich. Schön, dass ich endlich mal nicht diejenige bin, die den Altersdurchschnitt um Generationen senkt.
Es ist genau das, was ich gebraucht habe, dieser Neuanfang im Schnelldurchlauf. Denn von dem Moment, in dem ich den Job angeboten bekam bis zu meinem ersten Arbeitstag sind nur vier Wochen vergangen. Es ging so rasend schnell, dass ich manchmal, ganz außer Puste, stehen bleibe und innehalte. Ich blicke zurück, bin erstaunt und fasziniert, wie das Leben einem manchmal die tollsten Geschenke macht. Ich bin einfach nur dankbar für jeden Moment davon.
Und dennoch, furchteinflößend ist so ein Neuanfang auch. Denn:
Es heißt wieder ganz von vorne anfangen
Und ganz von vorne heißt ein bisschen auch wieder bei Null. Es erinnert mich irgendwie an damals, als ich von der Grundschule aufs Gymnasium wechselte. Als Viertklässlerin gehörte man noch zu den Coolen, zu den Älteren eben. Man wusste wie der Hase läuft, und damit wiegte man sich auch automatisch in einer Sicherheit, die einem nur eine vertraute Umgebung zu geben vermag.
Und dann, ja, dann verlässt man ebenjene vertraute Umgebung, und begibt sich plötzlich woanders wieder ganz ans Ende der Fresskette – zumindest gefühlt. Natürlich, man würde es nicht anders haben wollen. Denn Neuanfänge, vor allem wenn sie einen Schritt “nach oben” bedeuten, gehören zum Leben dazu, ohne sie wäre es trist und langweilig.
Aber jetzt fühle ich mich eben wie die Fünftklässlerin, die wieder ganz neu auf der Schule ist. Fühle mich erneut prüfenden Blicken ausgesetzt. Will zeigen was ich drauf habe und mich von neuem beweisen.
Die gruseligsten Herausforderungen sind die lohnendsten
Ist es nicht so? Je furchteinflößender eine Aufgabe, umso atemberaubender das Gefühl, wenn man es sie gemeistert hat. So ist es wohl auch mit einem neuen Job. Nach einer Woche kann ich keineswegs sagen, dass ich nun alles kann und weiß. Die vielen Puzzle-Teile, die kreuz und quervor mir ausgebreitet liegen, kann ich beim besten Willen noch nicht zusammenfügen. Noch. Aber ich weiß, dass diese Puzzle-Teile irgendwann ein wunderschönes Bild ergeben werden. Und bis dahin stürze ich mich ins Abenteuer, betrachte die einzelnen Stücke und versuche, sie irgendwie zusammenzubringen.
Oh wie schön wird es sein, wenn ich irgendwann einen Schritt zurück treten und das Bild betrachten kann, das ich da zusammengefügt habe.