Mein Plädoyer für “ehrliche” Stellenanzeigen

Alle fordern sie immer ehrliche, authentische und unterhaltsame Bewerbungen. Sie muss Persönlichkeit rüberbringen, Charme zeigen – alles, bloß kein Einheitsbrei. Aber was ist denn bitte mit den Stellenanzeigen? Warum liegt die Verantwortung zur Authentizität immer nur bei den Bewerbern und nicht auch mal bei den Unternehmen?

Unmenschliche Alleskönner gesucht!

Sie suchen: Junge Bewerber, aber bitte mit Arbeitserfahrung! Langjährige Expertise mit Führungsverantwortung, aber bitte nicht zu alt! Topnoten, aber bitte keine Streber…! Liebe Unternehmen, was soll denn der ganze Quatsch? Wie soll man das denn bitte schaffen mit dem Berufseinstieg?

Im Prinzip weiß man ja, dass die Ansprüche überhöht und unrealistisch sind. Der allgemeingültige Rat: bewirb dich trotzdem. Hat bei mir ja auch wider Erwarten geklappt. Aber dennoch ist man eingeschüchtert, unterwirft sich den überzogenen Ansprüchen potenzieller Arbeitgeber und begibt sich letztlich in eine Position der mentalen Abhängigkeit:

“Liebes Unternehmen, ich bin deiner nicht würdig, das weiß ich! Dennoch flehe ich dich an, lade mich ein und gib mir eine Chance”. Das stellenausschreibende Unternehmen wiederum spuckt seine Antworten nur höchst widerwillig aus – wenn es sich denn mal dazu bemüßigt fühlt, dem Bewerber überhaupt zu antworten.

Aber es geht auch anders!

Das habe ich neulich in einer ziemlich authentischen und “ehrlichen” Stellenanzeige eines Architekturbüros in Hamburg gelesen. In zwölf Zeilen frühstücken sie ohne großen Schnickschnack die berühmten W-Fragen ab und machen einem irgendwie von ganz alleine Lust, sich als Texter zu bewerben (und das, obwohl ich gerade gar nicht suche!). Denn, wo andere möglicherweise schreiben würden: Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss mit erstklassigen Noten, eine mehrjährige Arbeitserfahrung als Texter im Architekturbereich sowie hervorragende Englisch- und Spanischkenntnisse”, geben sich diese Arbeitgeber offener:

“Es schadet nichts, wenn Sie etwas von Architektur verstehen, brauchen Sie aber nicht, das tun wir selbst. Schicken Sie uns Ihren Lebenslauf und erzählen Sie uns, was Sie können und was Sie nicht können.”

Ob die Verpackung auch hält, was sie verspricht, kann ich nicht beurteilen. Aber eins steht fest: Hierfür würden sich weitaus mehr gute Leute bewerben, mit einem deutlich besseren Gefühl. Vor allem Berufseinsteiger (und darunter verstärkt Frauen), haben oft Scheu, sich sich auf solche Stellen zu bewerben. Dabei erfüllt in der Regel kaum ein Bewerber 100% des ausgeschriebenen Profils. Als ich mich auf meine jetzige Stelle beworben habe, hatte auch nicht annähernd 100% zu bieten, und dennoch hat es geklappt. Bewerben lohnt sich also immer!

Und wenn du mal wieder auf eine verschlüsselte Stellenanzeige triffst: auch hier gibt es Methoden, sie zu entschlüsseln: so liest du sie richtig.

Fotocredit: Milada Vigerova

7 Discussions on
“Mein Plädoyer für “ehrliche” Stellenanzeigen”
  • Wirklich sehr nette Stellenausschreibung.
    Gerüchte verbreiten sich doch sonst immer so schnell, aber dass die Eier legende Wollmilchsau nur ein Fabelwesen ist, das scheint sich bei den Arbeitgebern noch nicht so herumgesprochen zu haben…

  • Wow, die Ausschreibung passt ja wie die Faust aufs Auge. Immerhin bin ich Architektin und schreibe nun. Aber irgendwie kommt mir sehr spanisch vor, dass sie eine Bewerbung per Post haben will. Was hat das für einen Vorteil und wie passt das zum Thema Nachhaltigkeit wenn 90% der Bewerbungen im Müll landen?

    Ich habe ihnen eine kurze Email geschrieben. Entweder sie reagieren darauf oder sie entsprechen ohnehin nicht meinen moralischen Ansprüchen, was Architektur angeht. Und dann will ich auch nicht für sie schreiben.

    Aber tausend Dank dafür 😉
    LG
    Julia

  • So wahr! Was mich auch nervt: Ständig verlangen Unternehmen, dass man für sie Extraaufgaben erledigt und diese an die Bewerbung dranhängt. Als ob man pro Tag 56 Stunden Zeit hätte. Gerade wenn man sich für mehrere Stellen bewirbt, gleichzeitig noch arbeitet und oder studiert, ist es unmöglich all diese superspeziellen Aufgaben zu bewerkstelligen. Die dann überhaupt erst darüber entscheiden, ob man eingeladen wird.
    “Liebes Unternehmen, ich bin deiner nicht würdig, das weiß ich!” – So werden leider viel zu viele Bewerbungsschreiben verfasst.

    • Oh ja, das ist auch krass. Extraaufgaben musste ich bisher nur für da Vorstellungsgespräch vorbereiten.
      Schade, dass man auch nie wirklich ein Feedback zu seiner Bewerbung bekommt. So weiß man auch nicht genau, ob eine “mutigere” Bewerbung besser ankommt oder nicht. Bei mir haben solche genauso oft Absagen zu Folge gehabt wie klassische, unmutige…

Leave A Comment

Your email address will not be published.