Von Fastfood, Sportentzug und Semi-Urlaub #Jobgeflüster


Geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude doppelte. Doch weil wir seit Christinas Umzug nach Brüssel nun eine Blogfernbeziehung führen, können wir uns nicht mehr regelmäßig bei einem Cocktail über die Freuden und Leiden des Berufseinstiegs unterhalten. Deshalb haben wir unseren Jobplausch nun einfach kurzerhand in unser virtuelles Zuhause verlegt.

In unserer neuen Serie “Jobgeflüster” plaudern wir über unseren Berufsalltag, spannende Erfahrungen und neue Herausforderungen. Schnappt euch einen Drink (oder zumindest eine schöne Tasse Tee) und los gehts!


Jana schreibt:

Liebe Christina,

ich bin gerade zurück am Schreibtisch nach zwei Wochen Semi-Urlaub. Das bedeutet für mich als Reisebloggerin ausnahmsweise mal nicht verreisen – sonst würde ich ja doch nur darüber nachdenken, über was ich als nächstes schreiben könnte und ob ich auch genug tolle Fotos dafür gesammelt hätte – sondern meine Arbeit als Selbstständige so weit wie möglich herunterzufahren. Ich glaube von einem kompletten, richtigen, echten, vollständigen Urlaub kann ich mich spätestens seit meiner Selbstständigkeit sowieso verabschieden, wobei es ja heute vielen Arbeitnehmern auch nicht anders geht. Aber darum soll es eigentlich gar nicht gehen.

Naja irgendwie doch. Nämlich um das leidige Thema Work-Life-Balance.

Produktivität ist nicht alles

Angefangen hat es vor drei/vier Wochen, als ich mich zwar freute, wie perfekt ich inzwischen meinen Arbeitsalltag organisiert und wie produktiv ich die viele Arbeit bewältigt bekam, aber dabei meinen Körper, mein inneres Wohlbefinden und auch meine Ernährung völlig außer Acht ließ. Auf Reisen bin ich eigentlich ein total aktiver Mensch, wie du weißt. Aber sobald ich zu Hause bin, hab ich das Gefühl so viel nachholen zu müssen, dass an Sport, Kochen und Co. kaum zu denken ist.

Ich dachte mit der Selbstständigkeit wird alles besser. Endlich kann ich auch im Winter bei Tageslicht Joggen gehen, meine Mittagspause mit einer Runde Yoga verbringen und mir endlich genug Zeit für mich und meine Gesundheit nehmen. Tatsächlich wurde es nur schlimmer. Denn ehe ich mich versehe, ist es auch heute wieder dunkel, bevor ich das erste Mal daran denke, das Haus zu verlassen.

Die guten alten Zeiten

Zu Angestelltenzeiten hatte ich nach Feierabend wenigstens schon sechs Kilometer Radfahrt zur Arbeit und zurück hinter mir. Nicht die Welt, aber besser als nichts – das merkte ich nun, wo ich an schlechten Tagen nicht einmal auf 500 (!!) Schritte kam. Ich fühlte mich schlapp und bekam schnell Herzrasen. Von Rückenschmerzen vom vielen Vorm-PC-Sitzen ganz zu schweigen.

Nur wer körperlich fit und gesund ist, hat langfristig Erfolg

Da wurde mir klar: Ich muss etwas ändern, denn wenn ich so weiter mache, habe ich vielleicht kurzfristig mehr Erfolg, aber langfristig kann ich nur dauerhaft leistungsfähig bleiben, wenn ich fit und gesund bin. Seit drei Wochen steht nun auch die tägliche Bewegung als ebenso fixer Termin in meiner Tagesplanung wie Businesscall und Co. Mein Semi-Urlaub die letzten zwei Wochen war der perfekte Startschuss, um mir wenigstens wieder eine kleine Grundfitness aufzubauen, damit es mir jetzt, zurück im Alltag, nicht mehr so schwer fällt, mich zu motivieren. Mit Erfolg. Ich fühle mich deutlich besser, bin glücklicher und muss mich vielleicht auch dank des grandiosen Wetters nicht mal zum Sport zwingen.

Auch mit meiner Ernährung bin ich wieder viel zufriedener. Schon etwas länger ernähre ich mich wieder komplett vegetarisch, was sich positiv auf den Konsum von Fastfood auswirkt. Auch Chips bei der Arbeit, weil man gerade zu viel zu tun hat, um anständig Pause zu machen, sind passé. Okay, zugegeben, früher hätte ich an manchen Tagen vielleicht mehr geschafft, aber die Tage, an denen ich unproduktiv vor dem PC sitze, sind ebenfalls seltener geworden. Alles in allem bekomme ich also im Schnitt nicht mal weniger geschafft als vorher.

So, und nun ist es 18 Uhr. Meine Sportklamotten habe ich schon an und ich werde bei strahlendem Sonnenschein eine Runde laufen gehen. Dann gehts wieder zurück an den Schreibtisch, und ich bin mir sicher mit mehr Elan als zuvor!

Wie gelingt dir das eigentlich so in Brüssel – also mit der Work-Life- beziehungsweise Work-Fitness-Balance?


Liebe Jana,

als ich das Wort Work-Life-Balance gelesen habe, musste ich erst einmal laut loslachen. Ein wenig hysterisch, fast schon manisch, vor Erschöpfung. Denn meine 40-Stunden hatte ich diese Woche schon am Mittwochmittag voll – und dabei war der Freitag noch so unendlich weit weg. Nun ist das Gott sei Dank kein Normalzustand, diese Woche war einfach nur außergewöhnlich hart.

Dennoch ist mein neues Arbeitsumfeld in Brüssel um ein Vielfaches hektischer, stressiger und verantwortungsvoller als noch in Bonn/Berlin. Das ist schon eine harte Umstellung für’s System. Versteh’ mich nicht falsch, ändern würde ich es nicht, denn genau so wollte ich es ja haben. Das rasante Arbeitstempo und die “Deadline ASAP” liegen mir einfach besser, als ewig herum zu philosophieren und meine geleistete Arbeit zu verschlimm-bessern. Der Druck, zu wissen, dass ich die volle Verantwortung für meine Arbeit trage, motiviert mich zusätzlich. Stress ist für mich also an und für sich erst mal nichts schlechtes.

Was ist eigentlich Stress – und wie gehe ich damit um?

In dem Zusammenhang fällt mir ein hervorragender Podcast ein, den ich neulich zum Thema “Gesunde Stressbewältigung” gehört habe. Zwei Dinge fand ich darin besonders interessant:

1) Stress ist erst mal nicht zwingend etwas Negatives, sondern manchmal auch notwendig, um uns zu Höchstleistungen anzutreiben – positiver Stress eben. Jeder, der gerne mal prokrastiniert, weiß wovon ich rede. Nichts kurbelt die eigene Produktivität und Effizienz so an, wie eine gefährlich nahekommende Deadline. Zu wenig Druck ist also nicht förderlich. Schlecht für die eigene Leistungsfähigkeit wird es aber, wenn es zu viel wird, beziehungsweise, wenn der Stress (selbst wenn es positiver ist) nicht auch wieder abgebaut wird – z.B. durch Entspannung oder Bewegung. Womit wir wieder beim Sport wären.

2) Zudem hieß es in dem Podcast, dass körperliche Betätigung nicht nur dabei hilft, den Stress akut abzubauen. Vielmehr ist es auch eine Sache des Trainings: Menschen, die regelmäßig Sport treiben, können von vornherein besser, schneller und gesünder mit Stress umgehen. Couchpotatos brauchen also länger, sich von einer stressigen Situation zu erholen, als sportliche Menschen.

Dem Stress davonlaufen

Also muss auch positiver Stress abgebaut werden. Diese Erkenntnis ist besonders relevant für Leute wie Dich und mich, die ihre Arbeit lieben und sich sehr gerne dafür verausgaben. Für Leute, die unbedingt einen guten Job machen und sich beweisen wollen, und denen auch Doppelschichten zunächst mal nichts ausmachen. Aber du hast vollkommen Recht: dauerhaft kann das so nicht funktionieren. Denn viel zu schnell passiert es, dass man sein Wohlergehen darüber vernachlässigt.

In den ersten paar Wochen in Brüssel (als ich noch auf der Couch eines Freundes wohnte), war mir ehrlich gesagt noch so gar nicht der Sinn danach, mich nach einem stressigen Arbeitstag auch noch auf die Suche nach einem Fitness-Studio zu begeben. Denn sich an den neuen Job zu gewöhnen, an die langen Arbeitstage und den Druck – das ist schon anstrengend genug, dachte ich, da bürge ich mir nicht noch mehr auf. Aber das war eine Milchmädchen-Rechnung. Ziemlich schnell machte sich das bemerkbar, und zwar durch eine fiese, eklige und hartnäckige Unausgeglichenheit.

Also was tun? Laufschuhe an, und los, raus mit mit den müden Knochen. Und nicht mal der fiese Brüsseler Nieselregen konnte verhindern, dass ich mich danach sofort besser gefühlt habe. Dieses Gefühl machte es einfacher, den inneren Schweinehund das nächste mal wieder zu überwinden. Und das nächste. Und das nächste. Der Moment, in dem ich mir wieder ein Fitnessregime antrainiert habe, machte den ganz wichtigen Unterschied für mein Wohlergehen. Jetzt mache ich wieder mindestens 3 mal die Woche Sport – und fühle mich viel, viel besser.

Work hard – play hard

Ebenso versuche ich, jeden Tag zumindest eine anständige Mittagspause zu machen, selbst wenn sie nicht lang sein kann. Einen Moment durchatmen, sich die Beine vertreten und seine Prioritäten und Gedanken sortieren – das finde ich unglaublich wichtig, um nicht im Hamsterrad stecken zu bleiben. Oder ich gehe nach der Arbeit mit Freunden oder Kollegen etwas trinken, essen oder wenigstens spazieren.

Zugegeben, das klappt mal besser, mal schlechter. Aber immer wirkt sich das sofort auf mein Empfinden aus. Nach extrem stressigen Phasen muss ich am Wochenende mit Wohlfühlprogramm voller Sport, faulenzen und ausgehen gegensteuern. Oder mit Mamas Umarmung.

Denn das Schöne an Brüssel ist ja auch, dass es nur knappe drei Stunden bis zu mir nach Hause an den Rhein sind. Ja, ich muss sagen, ich habe tatsächlich das erste mal so etwas wie Heimweh. Meine Familie und meine Freunde sind da natürlich die beste Medizin bei berufsbedingter Überlastung.

Verantwortung nicht nur auf der Arbeit übernehmen – sondern auch für sich selbst

Die wohl wichtigste Erkenntnis, ist so banal wie sie wahr ist: Ich muss selbst Verantwortung für mein eigenes Wohlergehen übernehmen – es wird sich niemand um mich kümmern, wenn nicht ich selbst. Denn egal wie sehr man seine Arbeit liebt. Egal wie man darin aufgeht, Verantwortung zu übernehmen und weiterzukommen.

Am Ende des Tages ist und bleibt es was es ist: nur ein Job.

 

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