Von Krallen, Gebrüll und verkauften Dummchen

Lieber als Furie verschrien, statt als Dummchen verkauft.

Das sagte neulich ein bekannter Hotelbesitzer zu mir, als er die Beziehung zu seinen Dienstleistern und Lieferanten beschrieb. Er erzählte davon, wie er am Anfang seiner Selbstständigkeit stets höflich war – könnten Sie vielleicht; wenn Sie etwas Zeit haben; wenn es Ihnen nichts ausmacht… Monate später war sein Problem immer noch nicht behoben, der Geduldsfaden aber gerissen. Und dann ging alles ganz schnell: Ein paar böse Emails, ein zorniges Telefonat und eine Kündigungsdrohung später lief alles wie am Schnürchen.

Geht doch! …oder?

Muss man erst beweisen, dass man Haare auf den Zähnen hat, bevor man bekommt wofür man bezahlt hat? Manchmal scheint es wohl leider so.

Ernst genommen werden im Berufsanfang

Der Ton macht die Musik, richtig? Wie kommt es aber dann, dass man manchmal gerade mit Nettsein nicht weiter kommt? Wenn man mit ein paar Bitte und ein paar Danke zu viel gleich den Freifahrtschein austeilt, einen für dumm zu verkaufen? Eine Sache, die ich vor Kurzem gelernt habe, und die ich traurig und ernüchternd zugleich finde ist, dass man oftmals nur mit forschem Auftreten weiter kommt. Dass man, wie im Tierreich, ein “don’t mess with me” Signal stets zur Hand haben muss, um im Notfall zu fressen, statt gefressen zu werden.

Nee, ich übertreibe natürlich mal wieder. Aber wäre es nicht schöner, wenn man mit Nettsein weiter käme, als mit herausfordernder Ruppigkeit?

Oder ist das so naiv?

Wenn ich mich früher bei so einigen Leuten gefragt habe, warum sie denn so unangenehm unfreundlich, abwehrend und fordernd sind, denke ich heute mit ein bisschen Erfahrung mehr manchmal: die wurden wohl einmal zu oft für dumm verkauft, deshalb teilen sie prophylaktisch ein-zwei Kinnhaken aus, bevor das Gegenüber auch nur im Entferntesten auf die Idee kommt, sich zu viel herauszunehmen.

Aber heißt das, dass man immer erst die Krallen ausfahren, laut brüllen und die Mähne schütteln muss, um ernst genommen zu werden? Ich hoffe nicht.Wenn wir alle mit gezückten Messern durch die Gegend liefen, was wäre die Welt doch für ein trauriger Ort…

Die Mitmenschen mit Nettigkeit, Respekt und “the benefit of the doubt” zu behandeln ist doch viel schöner, Berufsanfang hin oder her… natürlich mit einer Portion Vorsicht und Hartnäckigkeit in der Hinterhand.

 

 

6 Discussions on
“Von Krallen, Gebrüll und verkauften Dummchen”
  • Ich glaube (oder weiß), dass man nicht immer die Krallen ausfahren muss. Ich war schon öfter kurz vor dem “Jetzt reichts aber!”-Punkt und dann hat sich die Situation netterweise anders geklärt. Was auch daran lag, dass Menschen gemerkt haben, dass es so nicht geht, bevor ich ausflippen musste. Grundsätzlich denke ich also schon, dass man auch freundlich miteinander umgehen kann (auch wenn das im Alltag nicht immer möglich ist). Es schadet aber nicht, dass die Umgebung durchaus weiß, dass man nicht alles mit sich machen lässt. Grundsätzlich.

    • Na das beruhigt doch! Schön zu hören, dass man es auch oft genug ohne Krallen hinkriegt. Dann versuche ich es weiter so 😉
      Viele Grüße,
      Christina

  • Früher habe ich mir so etwas stark zu Herzen und grundsätzlich immer persönlich genommen, wenn jemand mir forsch und unfreundlich begegnet ist – mittlerweile bin ich da viel cooler, weil ich mir auch sage, dass diese Menschen ein paar schlechte Erfahrungen gemacht haben müssen, um nun so auf ihre Umwelt zu reagieren.

    Die schönste Art Zähne zu zeigen ist sowieso lächeln – und man lässt diesen Leuten damit nicht mal die Genugtuung, dich als Punching Ball für ihre Launen zu benutzen! (wie sangen die Ärzte? “Bleib höflich und sag nichts – das ärgert sie am meisten”)

  • Welcome to the real world.

    My experience in running a small business is that one needs to understand what to expect, how much it is reasonable to expect, and how to develop the acuity for cues to modify your expectations when dealing with peers,, suppliers and customers alike.

    I’ve seen situations get out of hand all to often simply because of a mismatch of expectations, which in my opinion are often poorly managed. Obviously theatre is an important part of negotiation; however, if the lines become blurred and emotions get in the way, there is a tendency for things to end in impasse. It’s all and well to jump up and down and have tantrums, but if that’s not followed by reasonable demands the histrionics may very well be in vain.

    Apart from business situations, I get that almost everyday of my life, as I have small children. They teach me more about life than anything I’ve ever done or experienced, haha.

    • Hi Yifan 🙂
      Thanks so much for sharing your experiences! Also, I’m very much impressed with your German skills! 😉
      Best wishes, Christina

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