Von Träumen, Überzeugungen und der nackten Realität
Ich hatte es geschafft: Nach drei Jahren voller Höhen und Tiefen, hielt ich im September 2009 mein Bachelorzeugnis in der Hand. Ich hatte das Gefühl, vor Stolz zu platzen. Aber noch mehr war ich der absoluten Überzeugung, dass mir die Welt zu Füßen liegen würde.
Bestärkt wurde ich durch die Tatsache, dass ich bereits einen festen Job in der Tasche hatte und mir das leidvolle Dasein als Dauerpraktikantin zumindest erstmal erspart bleibt. Tschakka!
Den Abschluss in der Tasche: Bereit, um Großes zu leisten
Ich war mir sicher, dass ich mit meinem Zeugnis das Handwerkszeug, das Know-How und Selbstvertrauen in der Tasche hatte, um Großartiges zu leisten. Ich hatte immerhin studiert. Soll ja auch was wert sein. Und ich hatte mich tagtäglich motiviert und mich durch unzählige Klausuren geschleppt. Auch das sollte sich nun endlich auszahlen.
Ich lächelte dem angeblichen Ernst des Lebens milde entgegen. Was sollte schon passieren? Ich war der festen Überzeugung, dass mich das Studium bestens auf mein Arbeitsleben vorbereitet hatte. Schließlich begann ich meinen ersten Job “nur” am Theater. Flexible Arbeitszeiten, Künstler, Ausgeflippte, Profilneurotiker. Von jeder Sorte gab es während meines Studiums genug.
Die Realität: Theorie und Praxis – zwei verschiedene Universen
Doch ich hatte mich gewaltig geirrt. Innerhalb der ersten Woche plumpste ich hart auf den Boden der nackten Realität. Mir wurde knallhart beigebracht, dass ich keine Ahnung vom Theaterleben und der richtigen Arbeitswelt hatte. Mir wurde gezeigt, was ich alles noch nicht wusste und was ich noch lernen musste. Ich merkte außerdem, dass ich während meines Studiums Unmengen an unnützem Wissen angeeignet hatte, dafür aber die Dinge, die für mein Berufsleben wichtig gewesen wären, nicht wusste und konnte. Zum Teil hatte ich das Gefühl, dass Theorie und Praxis sich in zwei verschiedenen Universen abspielten. Ein Studium ist nicht mehr als ein Koffer voller Grundlagen, der schnellstmöglich erweitert und abgeändert werden muss.
Mittlerweile bin ich überzeugt, dass ein guter Berufseinstieg mit ein wenig Glück verbunden ist. Man muss einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und dann das Beste daraus machen. Fleiß, eine gute Ausbildung und ein tadelloser Lebenslauf reichen nicht. Viel wichtiger ist es, für seinen Beruf zu brennen, offen für Neues zu sein und seine Stärken und Schwächen genau zu kennen.
Die Erkenntnis: Die Höhen und Tiefen gehören dazu!
Heute, knapp sieben Jahre später, denke ich noch oft an meine ersten Wochen in meinem Beruf zurück. An die harten Phasen, die ich durchmachen musste, an all die Erfahrungen und das Wissen, das ich in kurzer Zeit erworben habe. An alle Rückschläge, Verzweiflungen, Tränen und Wutanfälle.
Mit diesem Abstand bin ich mir sicher: ja, genau so sollte mein Berufseinstieg aussehen. Mit Höhen und Tiefen, viel knallharter Realität und einem Beruf, den ich nach wie vor liebe und nicht aufgeben möchte. Warum? Weil ich durch diese Erfahrungen zum einen weiß, dass der Beruf als Tontechnikerin genau mein Ding ist und ich ihn viel zu toll finde, als dass ich mich durch Rückschläge von meinem Ziel abbringen lasse. Zum Anderen habe ich gerade zu Beginn genau das gelernt, was ich einige Jahre später gebraucht habe, um mich mit meinem Unternehmen Fräulein i. erfolgreich selbstständig zu machen: Ausdauer, Durchsetzungskraft, einen eisernen Willen und die Bereitschaft immer wieder Neues zu lernen.